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Orginial geposted am 11. September 2010
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Ein Datum ist zu einer Ikone geworden wie kaum ein anderes in unserer jüngeren Geschichte ... der 11. September, oder in englischer Schreibweise 9/11.
Es ist heute genau neun Jahre her, seit sich die Ereignisse zugetragen haben, die dieses Datum so belastend machen. Nicht einmal ein ganzes Jahrzehnt ist es her ... und doch kann ich mich schon kaum mehr daran erinnern, wie es war vor diesem Angriff auf die Zwillingstürme des World Trade Centers an jenem Morgen im Spätsommer 2001.
Ich weiß noch genau, dass ich in der Arbeit war an diesem Tag. Irgendwann zwischen 15:30 und 16:00 Uhr (Zeitzone: GMT +1) erhielt ich einen Anruf von einem Kunden, der auf einen Wochenreport wartete, den unsere Firma noch nicht abgeliefert hatte. Ich dachte, dass mich der Kunde aus diesem Grund anrief, und dem war prinzipiell auch so. Aber er begann unser Gespräch mit den Worten:
"Haben Sie schon gehört, dass es einen Terroristenanschlag auf das World Trade Center gegeben hat?"
Ich dachte, dass der Mann einen etwas drastischen Scherz machte, um seinem Bedürfnis für den Wochenbericht etwas zusätzliches Gewicht zu verleihen, und dass er sich das nun gerade ausgedacht hatte, um dann vielleicht mit "sowas könnte Ihnen passieren, wenn ich jetzt nicht bald meinen Bericht bekomme!" fortzufahren. Nun, der Mann konnte in Gesprächen durchaus recht unterhaltsam sein, und wir hatten oft recht viel Spaß am Telefon, sogar wenn es nur geschäftliche Dinge waren, über die wir uns unterhielten ...
Ich erwiderte, dass wir den Bericht vermutlich würden abschließen und in einem oder zwei Tagen schicken können, auch ohne das er zu derart drastischen Maßnahmen greift.
An diesem Tag hatte ich in der Tat noch nichts gehört über das, was etwas mehr als eine Dreiviertelstunde vorher in New York City begonnen hatte, um 8:46 Uhr morgens (Eastern Standard Time).
Mein Anrufer informierte mich darüber, dass er hier nicht etwa versuchte, einen Scherz zu machen (oder mir zwecks Motivation zur Arbeit einen ironischen Peitschenschlag verpassen wollte) - vielmehr habe es tatsächlich einen Angriff auf das World Trade Center gegeben.
Die Firma, bei der ich damals arbeitete, hatte keinen Fernseher in ihren Räumlichkeiten. Und das einzige Radio im Hause stand im Büro der Buchhaltung. Ich informierte meine Kollegen über das, was ich gerade erfahren hatte, und wir versuchten dann, auf einem der verschiedenen Radiosender irgendwelche Nachrichten über den Stand der Dinge in New York zu hören.
Es war das Jahr 2001, und das Internet war noch nicht so weit entwickelt wie heute. Twitter gab es auch noch nicht. Daher also Radio. Aber wir hatten keinen Erfolg damit, einen Sender zu finden, der bereits über die Sache berichtete. Also warteten wir dann schließlich notgedrungen auf die nächste reguläre Nachrichtensendung, die zur vollen Stunde fällig war. Und dann war es quasi amtlich, dass tatsächlich etwas passiert war. Was wir jedoch nicht wussten, war, wie immens und furchtbar die Konsequenzen sein würden.
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Als ich einige Stunden später bei mir zu Hause eintraf, schaltete ich sofort den Fernseher ein, und danach schaltete ich ihn nicht wieder aus, bevor ich dann so gegen 3 Uhr nachts zu Bett ging ... Ich musste zwar am Morgen wieder früh raus, aber ich konnte einfach nicht aufhören zu schauen, obwohl sich nach einiger Zeit die gezeigten Bilder wiederholten und es nur wenig echte Neuigkeiten zu berichten gab darüber, was geschehen war und wie sich die Katastrophe weiter entwickelte.
Ja, sie entwickelte sich immer noch weiter ...
Die Zwillingstürme waren von zwei Flugzeugen attackiert worden, das Pentagon offensichtlich von einer weiteren Maschine, und ein vierter Jet hatte sein vorgesehenes Angriffsziel nicht erreicht (wo auch immer dies lag), weil er zum Absturz gebracht worden war, als Passagiere und die Crew einen Kampf mit den Flugzeugentführern begonnen hatten.
Wohlgemerkt: Ich schreibe hier momentan nur dies, was in den Nachrichten gesagt wurde und was damals mein Hirn erreichte - und in mein Herz krachte. Ich werde mich nicht in die "Was wirklich passiert ist - oder ist es überhaupt passiert?!" Diskussionen vertiefen, die in den folgenden Jahren und bis zum heutigen Tag anhalten. Ich bin nicht an irgendwelchen Verschwörungstheorien interessiert - jedenfalls nicht in diesem Blog hier.
Ich erinnere mich nur daran, wie mich dieser Tag in einen Zustand versetzt hat, der eine ganze Woche lang anhielt ... in einen Schockzustand.
Ich fühlte mich so, als sei alles um mich herum dunkel geworden, von Schatten verhangen ... so als ob meine Sicht irgendwie verschwommen war (ich hatte es schwer, mich wirklich auf etwas zu konzentrieren, weil mein Geist die ganze Zeit davon driftete) - und mein Hörvermögen schien auch davon beeinträchtigt zu sein, so wie nach einem lauten Knall (ich vermochte einfach nicht für mehr als ein paar Sekunden wirklich zu folgen, wenn mir etwas gesagt wurde ... denn mein Geist driftete ab).
Ich hatte massive Probleme damit, mich selbst und meinen Zustand zu verstehen in jenen Tagen nach dem 11. September ... Ich funktionierte einfach nicht richtig, obwohl mir persönlich prinzipiell überhaupt nichts passiert war.
Der plötzliche Tod von dreitausend Menschen hatte mich mit voller Wucht getroffen - aber ich brauchte mehrere Tage, um dies wirklich zu verstehen ...
Der plötzliche Tod von dreitausend Menschen hatte mich mit voller Wucht getroffen - aber ich brauchte mehrere Tage, um dies wirklich zu verstehen ...
Ich trauerte um diese Menschen.
Ohne auch nur ein einziges der Opfer persönlich zu kennen, und ohne selbst irgendwelche Freunde oder Angehörige verloren zu haben ... trauerte ich.
Und immer noch, diese ganze Woche über, konnte ich nicht wirklich glauben, dass all diese Dinge wirklich geschehen waren, Aber sie waren geschehen.
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Nach dieser ersten Woche, die den Ereignissen folgten, die sich an jenem Ort abgespielt hatten, der dann als Ground Zero bekannt werden würde, und auch am Pentagon - nach dieser ersten Woche begann ich mich ... anders zu fühlen. Nicht wirklich "besser" ... doch die Dinge rückten wieder mehr in eine Perspektive, und ich begann wieder zu "funktionieren" - obwohl das Verarbeiten all dessen, von dem ich an jenem Tag Zeuge geworden war, mich noch eine lange Zeit kostete.
Es hatte wie ein schlechter Witz begonnen.
Dann hatte es sich in etwas verändert, das aussah wie eine Szene aus einem Hollywood-Actionfilm.
Und dann ließen die Mechanismen nach, mit denen ich mein Aufnehmen der Ereignisse umjustiert hatte (indem ich gefiltert habe und versucht, den Dingen eine Bedeutung zuzuschreiben die ich identifizieren konnte, weil ich sie kannte). Diese Mechanismen hörten schließlich zu arbeiten auf. Alles, was mir dann blieb, war die Realität - und diese Realität war etwas, das ich noch nie zuvor in dieser Form gesehen und erfahren hatte, genau wie vermutlich die meisten von uns ebenfalls nicht, die wir nicht Zeuge eines Weltkrieges oder eines anderen von Menschen gemachten Armageddon geworden sind (womit unsere Rasse sich ja über die Jahrhunderte hinweg immer wieder gegenseitig malträtiert).
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Ein Jahr später, im September 2002, habe ich die Dokumentation 9/11 der Filmemacher-Brüder Jules and Gédéon Naudet im Fernsehen entdeckt. Ich hatte die ersten zehn Minuten oder so verpasst, aber das passiert halt, wenn man nur durch die Kanäle zappt und seine Fernsehzeitung nicht benutzt.
Sobald ich die allerersten paar Bilder gesehen hatte und erkannte, wovon diese Dokumentation handelte, da war ich ...
... da war ich schlagartig in praktisch dem gleichen Zustand, in dem ich mich am 11. September ein Jahr zuvor befunden hatte. Fast alles, was ich damals empfunden hatte, war wieder da. Ich saß vor meinem Fernseher und war wie versteinert, bewegte keinen Muskel und schaute mir die gesamte Dokumentation bis zum Ende an.
Durch diesen Film reiste ich in der Zeit zurück, und ich durchlebte die gleichen Gefühle, die bei mir am 11. September 2001 eingeschlagen waren.
Doch dieses Mal schaute ich mir die Dinge nicht aus der Ferne an ... sondern ich war wirklich dort!
Doch dieses Mal schaute ich mir die Dinge nicht aus der Ferne an ... sondern ich war wirklich dort!
Diese Dokumentation ist etwas, das Ihr unbedingt anschauen müsst.
"Es heißt, es gibt immer einen Zeugen, wenn sich Geschichte ereignet, glaube ich ... Man sagt, dass diese Leute dazu bestimmt werden, Zeuge zu sein."
Mit diesem Statement bringt Jules Naudet auf den Punkt, was geschehen war, und was er und sein Bruder Gédéon Naudet getan hatten - sie waren dazu bestimmt worden, die Zeugen der Ereignisse vom 11. September 2001 zu sein.
Und mit dem, was sie an jenem Tag gefilmt haben, und auch noch während der Tage und Wochen danach, haben sie ein immens wichtiges Dokument geschaffen ...
... und mit diesem Dokument machen sie uns alle zu Zeugen der Geschichte.
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Jules und Gédéon Naudet
9/11
Dokumentation
(2001 / 2002)
Regionalcode 2
Ton: Deutsch, English, Espagnol, Francais, Italiano
Untertitel: English
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