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Deutsch: Ein Kernthema dieses Blogs is ganz sicherlich Mobbing, und was dagegen getan werden kann.
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Friday, September 9, 2011

Wenn die Mobbing-Kette sich fortsetzt ...

English version of this blog here.
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Original geposted am 20. Oktober 2010
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Während der Recherchen zu meinem Video "It is okay if you're gay ... Stop bullying now" habe ich Nachrichten und Notizen über Fälle von schwulen Jugendlichen gesammelt, die ums Leben gekommen waren. Ich habe den Zeitrahmen hierbei auf die Jahre 2008, 2009 und 2010 gesetzt. Und wenn ich an diese Zeit zurückdenke, erinnere ich mich noch genau, wie sehr mich gewisse Nachrichten, über die ich stolperte, aufgewühlt haben ... denn worüber dort berichtet wurde, waren Dinge, die keinem Menschen zustoßen sollten - aber trotzdem geschehen sie, und sie haben furchtbare Auswirkungen.

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Ich wurde auf den Tod des 15-jährigen offen schwul lebenden  Lawrence "Larry" King im Jahr 2008 aufmerksam, weil ich ein Fan der amerikanischen Talkshow-Moderatorin, Schauspielerin und Comedian Ellen de Generes bin. Sie hatte in ihrer Show ein Statement gemacht, in dem sie unter anderem sagte: "Wenn die Botschaft dort draußen so furchtbar ist, dass man für's Schwulsein umgebracht werden kann, dann müssen wir diese Botschaft ändern."

Larry war von einem anderen Achtklässler namens Brandon erschossen worden, weil Larry Brandon gefragt hatte, ob er am St.-Valentinstag mit ihm ausgehen würde.

Dieser Fall erregte massives Interesse bei den Medien, und es wurde im ganzen Land und sogar außerhalb der Vereinigten Staaten darüber berichtet. Das Video mit Ellens Statement bekam sehr viele Views, und auch ich entdeckte es bei YouTube, über die damals noch aktive Funktion der "Related Videos" (themenrelevante Vorschläge zu einem anderen Video, das man sich gerade anschaute).

Ich teilte dieses Video mit einer ganzen Anzahl von Leuten, und die Reaktion, die ich erhielt, war stets die gleiche: Schockiertsein, Abscheu und echte Trauer über das, was dort geschehen war - dass ein junges Leben ausgelöscht worden war, und für die Tragödie, die Larrys Familie getroffen hatte. Und es gab auch Mitgefühl mit dem Jungen, der Larry umgebracht hatte, und für seine Familie, denn auch ihr Leben würde nie wieder so sein wie vorher.

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Im Jahr 2008 wurde ich also auf eine solche Geschichte aufmerksam, und sie hat mich wirklich entsetzt - denn so etwas hört man nicht jeden Tag. Aber trotzdem war es ein einzelnes Ereignis, das ich da entdeckt hatte, und weil ich damals keine Recherchen nach ähnlich gelagerten Fällen anstellte, war es nur diese eine Geschichte, die ich damals entdeckte. Durch Ellens Statement wurde eine Welle des Mitgefühls und viel an Bewusstsein ausgelöst, und es stand zu hoffen, dass die Dinge dadurch im Ganzen ein wenig zum Besseren beeinflusst werden würden.

Möglicherweise geschah dies auch - ein Beeinflussen zum Besseren, meine ich. Aber Veränderung kommt nicht nur durch Statements zustande, so intensiv und von Herzen und wahrhaftig sie auch formuliert werden ... Veränderung kommt durch das, was Menschen, die solche aufwühlenden Statements hören, für sich selbst davon annehmen, und was sie daraufhin in ihrem eigenen Leben zu verändern versuchen - wie sie auf Dinge reagieren, damit sich diese Dinge tatsächlich verändern.

2009 jedoch, und wiederum ohne nach solchen Meldungen zu suchen, wurde ich nicht auf einen, sondern auf zwei Fälle aufmerksam, in denen Jugendliche ihr Leben verloren, weil sie für ihre sexuelle Neigung schikaniert wurden - oder auch nur dafür, was andere in ihnen zu sehen beschlossen, und was ihnen nicht passte. Dieses Mal war die Natur der Gewalt, die angewendet worden war eine andere - aber das Endresultat war das Gleiche.

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Der 11 Jahre alte Carl Joseph Walker-Hoover brachte sich um, nachdem er monatelang gemobbt worden war - man hatte behauptet, dass er schwul war und ihn dafür jeden Tag in der Schule verspottet und schikaniert.

Carl ertrug diesen Missbrauch so lange er es vermochte. Schließlich erzählte er seiner Mutter davon, und die wandte sich sofort an die Schulverwaltung. Der Rektor bat Carl, die Namen jener Schüler zu nennen, die ihn quälten - doch als "Verräter" und "Petze" zu gelten war offensichtlich ein noch schlimmeres Stigma, als für schwul gehalten zu werden. Deshalb meldete Carl die Mobber zunächst nicht. Stattdessen versuchte er, irgendwie mit dem fertig zu werden, womit er jeden Tag konfrontiert wurde. Er hatte Angst, dass jegliche Strafe vom Rektor für die Mobber diese nicht stoppen würde, sondern dass sie dann im Gegenteil noch härter gegen ihn vorgehen würden - als Vergeltung, weil Carl sie gemeldet hatte. 

Doch schließlich konnte Carl es einfach nicht mehr ertragen ... und so erhängte er sich im Obergeschoss bei sich zu Hause, während seine Mutter unten in der Küche das Abendessen zubereitete. Als sie Carl dann zum Essen holen wollte, fand die Mutter ihren Sohn tot auf.

Die Nachricht von Carls tragischem Tod ereilte mich durch Zufall. Ich suchte auf der Startseite eines Online-Nachrichtendienstes nach etwas. Die Meldung über Carl war nicht die Haupt-Schlagzeile dort, aber trotzdem erregte sie meine Aufmerksamkeit. Und als ich dann den Button sah, der mir das Teilen dieser Nachricht mit meinem Facebook ermöglichte, da wusste ich, was ich nun tun musste.

Indem ich diese Nachricht dort postete, habe ich in der Tat damit begonnen, mein Facebook wirklich regelmäßig zu nutzen  ... Bis zu diesem Zeitpunkt war ich dort kaum aktiv gewesen, denn eigentlich hatte ich mein Facebook nur eingerichtet, weil ein Freund von mir, der in Portugal geborene und in Schottland lebende Schriftsteller Ricardo Pinto mich ein Jahr zuvor gebeten hatte, die zu tun, weil er ein paar Freunde brauchte, die ihm dabei halfen, sein eigenes neu eingerichtetes Facebook ins Laufen zu bringen.

Seit jenem Tag nun ist mein Facebook ein Ort ziemlich reger Aktivität geworden.

Lange Zeit später erst fand ich heraus, dass Ellen auf Carls Tod reagiert hatte, ind em sie seine Mutter Sirdeaner L. Walker zu sich in die Sendung einlud und sich mit ihr über das, was geschehen war, unterhielt. Es wurde auch dargestellt, wie Mrs. Walker versuchte, den Tod ihres Sohnes zu verarbeiten: Sie versucht, persönlich Mobbing-Opfern zu helfen und sie zu unterstützen, und sie ist auch an Kampagnenarbeit beteiligt, die das Ziel hat, echte systemische und wirksame Hilfsangebote gegen Mobbing ins Leben zu rufen, mit denen dem einer Epidemie gleichen Problem Mobbing zuliebe gerückt werden kann.

In ihren eigenen Worten beschriebt sie es so:


"Wenn irgendetwas [Gutes] aus alldem erwachsen kann, dann nur, wenn ein andere Kind nicht auf diese Weise leiden muss und dass es für irgendein Kind wirklich Gerechtigkeit gibt. Ich will nicht, dass auch nur eine einzige Mutter oder ein einziger Vater dies alles durchmachen muss."

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Ein zweiter Selbstmord eines ebenfalls 11-jährigen Jungen war in 2009 ebenfalls überall in den Schlagzeilen: Jaheem Herrera wurde in der Schule dafür gemobbt, "schwul" zu sein - andere Kinder machten sich über seinen Akzent lustig, sein Aussehen und dafür, dass er Kunst und Tanz mochte. All dies machte ihn in ihren Augen anders.


Und um all dies unter einem Oberbegriff zusammenzufassen, kam diesen Kindern das Label "gay - schwul" gerade recht. Damit konnten sie alles abdecken ... und sie machten Jahreem dadurch zu etwas, von dem Ellen deGeneres ein Jahr zu vor erklärt hatte, dass sie es nicht ist und genauso wenig Larry King ...

In den Augen jener Mobber wurde Jaheem zu einem Bürger (und im Endeffekt Menschen) zweiter Klasse, den zu piesacken und zu verspotten "okay" war - und offenbar befand es niemand von den anderen Kindern und Jugendlichen, die davon Zeuge wurden, für angezeigt, dagegen einzuschreiten und Jahreem zu helfen.

Die Schule reagierte (wenn überhaupt) auf die Beschwerden von Jaheems Mutter mit den üblichen Schulstrafen für die Mobber - aber eine oder zwei Stunden Nachsitzen haben noch niemals aus jemand einen besseren Menschen gemacht und ihn dazu gebracht, mit dem aufzuhören was ihn in diese vorübergehende Missliche Lage gebracht hatte. Das Mobben ging weiter, und schließlich kam Jaheem, genau wie Carl, an den Punkt wo er es einfach nicht länger ertragen konnte.

Es war der zweite durch schwulenfeindliches Mobbing ausgelöste Selbstmord eines 11 Jahre alten Jungen, von dem ich im Jahr 2009 hörte. Rückblickend erinnere ich mich daran, dass ich geschockt und zutiefst traurig war durch das, was da geschehen war. Und die Tatsache, dass dies der zweite Fall dieser Art war, machte das Ganze noch viel gravierender ...

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Doch erst, als im Frühherbst 2010 eine Serie von nicht weniger als vier Selbstmorden (drei schwule Jugendliche und ein 18-jähriger schwuler junger Mann) innerhalb von nur wenigen Wochen Ellen dazu brachte, ein weiteres Statement in ihrer Show zu machen ...



... da sah ich plötzlich eine Art Linie, die sich durch dies alles zog - aber es war nicht die reine Verbindung, die alle diese Fälle durch ihre ähnlichen Umstände hatten.

Worüber ich gelesen und gehört hatte, und was ich nun hier zitiert habe, ist nur ein winziger Bruchteil von den furchtbaren Effekten, die Mobbing jeden Tag auslöst, in Schulen überall auf der Welt. Und Mobbing betrifft nicht nur schwule Kinder und Jugendliche. Praktisch jeder kann zum Opfer werden.

Aber trotzdem - wenn ich die oben erwähnten Fälle als Beispiel nehme, zeigen sich zwei Dinge für mich:

Zum einen ist da die Tatsache, dass die Anzahl der Fälle, die mir vor Augen kamen sich von Jahr zu Jahr verdoppelt hat ... 1 - 2 - 4 ... Und war ein Fall von Totschlag (oder Mord - das Gericht hat noch keine Entscheidung getroffen) der Beginn dieser Kette von Ereignissen, so hat sich die Ursache für den Tod schwuler Kinder und Jugendlicher gewandelt zu Fällen, in denen die Opfer sich selbst das Leben nahmen.

Und diese tragische Wendung wird aus meiner Sucht mit verursacht durch die Tatsache, dass die Intensität und Maß an Brutalität von Mobbing stetig steigt. Mobber haben immer weniger Hemmungen, ihre Opfer auf immer brutalere Art zu quälen. Zusätzlich zu verschiedenen Formen körperlicher und seelischer Folter kommt mittlerweile auch Cyber-Mobbing hinzu. Der Druck auf die Opfer steigt, wird immer massiver und ausgefeilter - und Herzen und Seelen brechen.

Der zweite Grund, den ich definieren konnte, ist die Tatsache, dass Opfer zwar immer brutaleren Mussbrauch erleiden, aber nach wie vor allein und isoliert sind in ihrer Not und ihren täglichen Kämpfen.
Obwohl jeder weiß, dass solche Dinge geschehen ... obwohl jeder mindestens einen Fall an seiner eigenen Schule kennt ... obwohl sich jeder vorstellen kann, wie fürchterlich es sein muss, in einer solchen Situation gefangen zu sein ... und obwohl so viele tatsächlich zutiefst erschüttert sind von den intensiven und emotionalen Aufrufen wie denen von Ellen, die sie nun in drei aufeinander folgenden Jahren gemacht hat ...

... obwohl all dies so ist, sind immer noch so viele da, die wegschauen, die nicht zu Hilfe kommen, wenn sie sehen, dass andere unfair und brutal behandelt werden. So viele sagen, dass es furchtbar ist, was da passiert, aber offensichtlich erkennen so viele ganz einfach nicht, dass Veränderung nicht von alleine kommt!

Veränderung kommt ...
wenn Opfer nicht länger mehr allein gelassen werden.

Veränderung kommt ...
wenn die Strategie des Mobbers nicht mehr aufgeht, mit der er sein Opfer durch ein Regime des Terrors von jeder möglichen Quelle für Hilfe und Unterstützung abschneidet (Freunde, Lehrer, Eltern ...).

Veränderung kommt ...
wenn ein Opfer nicht selbst um Hilfe bitten muss (und dies nicht wagt, weil der Plan des Mobbers funktioniert!), sondern Verbündete an seiner / ihrer Seite hat, die einfach da sind, weil sie gebraucht werden - weil Dinge vorgehen, die nicht gerecht sind, und die niemand einer anderen Person antun darf.

Veränderung kommt ...
wenn die schweigende Mehrheit endlich diesen Sprung des Glaubens macht und sich für andere einsetzt - nicht, indem sie zurückschlagen, sondern

- indem sie einfach da sind
- indem sie nicht wegschauen
- indem sie Zeugen sind (und nicht nur Zuschauer / Gaffer)
- indem sie sich in den Weg stellen
- indem sie Nein sagen
- indem sie mehr Hilfe holen, falls sie gebraucht wird
... Hilfe von Freunden, Lehrern, dem Rektor, von Eltern, von der Polizei, oder wer auch sonst gebraucht wird.

Niemand muss dabei zu einem Kämpfer werden. Superhelden werden nicht gebraucht ... Und sind wir doch mal ehrlich: Die meisten von uns würden nicht einmal gut aussehen in diesen schnittigen Kostümen!

Aber: Es gibt Regeln, Bestimmungen und Gesetze gegen sozusagen alles, was Mobber tun. Warum haben wir Angst, diese Mittel greifen zu lassen?

Opfer sind allein ...
Mobber sind zahlreich ...
Aber all die anderen sind unendlich viele!

Sobald alle von uns dies endlich erkennen, wird Veränderung kommen. Wenn alle von uns zu handeln beginnen, um das zu tun, von dem wir alle wissen, dass es das Richtige ist, wird Veränderung kommen.

Und dann wird es keinen Fall mehr geben wie den von Jaheems Schwester, von der in dem Video zu Anfang dieses Blogs berichtet wird - Jaheems Schwester, die nicht nur ihren geliebten Bruder verloren hat, weil dieser sein Leben einfach nicht mehr ertragen konnte, sondern die ein Jahr später dann selbst wegen des Tode ihres Bruders gemobbt wurde.

Wenn wir alle diese einfachen Dinge zu tun beginnen die nötig sind, dann kann die Mobbing-Kette durchbrochen werden. Aber: Alle von uns werden gebraucht. Es ist nur ein kleiner Sprung des Glaubens für jeden einzelnen von uns, wenn wir alle dabei mitmachen.



Es wird besser werden ... wenn wir etwas tun!

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